Eine Strucklepisode

Wie der Arnold dem Rainer einmal einen glücklichen Abend geschenkt hat oder wie der Kaspret zum Wildbret wurde

Dass Rainer ein Sensibelchen ist, wusste die interessierte Schachgemeinde ja immer schon, dass er aber gleich so heftig reagieren würde, erstaunte selbst intime Kenner seines schwierigen Charakters. Das kam so:

Wie ja nicht zuletzt auf dieser Seite zu lesen, vor allem aber an nahezu allen renommierten Wirtshaustischen zu hören war, wollte Rainer gegen Frau Stangl in seiner letzten Meisterschaftspartie partout nicht aufgeben - trotz gänzlich aussichtsloser Stellung und vor allem doch erheblichen Materialnachteils. Nachdem Frau Vizepräsident nach wenig mehr als 80 Zügen schließlich noch eine Dame auspackte, war die Katastrophe perfekt und das bürgerliche Trauerspiel ging ins hinlänglich bekannte Finale über.

Nun gut, so viel in aller Kürze zur Vorgeschichte. Doch jetzt stelle sich einer vor, was das bei Rainer auslöste bzw. mit welch genialem Winkelzug des politisch stets geschickt agierenden Zugzwangpräsidenten Ebenberger die ganze Sache wieder ins Lot gebracht wurde. Es ist die Geschichte der beeindruckenden Seelenreinigung des Trotzkopfes Rainer I.:

Ebenberger gelang es, ob durch Absprache oder mittels gedanklicher Fernsuggestion sei dahingestellt, niemand geringeren als Guido Kaspret auf den Plan bzw. in die Waidmannsdorfer Gaststätte Struckl zu rufen, um den inneren Frieden des Gedemütigten wieder herzustellen. Mitten in die siebente Partie des Marathonkampfes, der derzeit zwischen Ebenberger und Rainer tobt (Bericht dazu vielleicht zu gegebener Zeit.), platzte der angesprochene G.K. (Sic! Auch Initialen des Tigers von Baku!!), gefolgt von zwei Schachadjutanten aus dem Dunstkreis der Postpartie. Ebenberger, hocherfreut über den prominenten Gast, forderte ihn plangemäß gleich zu einem Vergleichskampf und stellte reichlich Lohn in Form eines Bieres in Aussicht, das aus dem von Zugzwang eingerichteten Fonds für moralisch angeschlagene Schachspieler finanziert werden sollte. Kaspret müsse sich zu einer Beratungspartie hergeben. Mit anderen Worten, er und Rainer (zusammen knapp mehr als 3000 Eli) sollten sich über das Knacken der harten Nuss absprechen dürfen, wohingegen Kaspret gänzlich alleine zu spielen habe.

Es kam, wie es kommen musste. Rainer nutze das Anzünden einer Casablanca durch Ebenberger und stellte flux den von ihm so geliebten wenngleich nicht selten verlorenen b-Bauern auf die vierte Reihe. Damit war klar, wer diese Partie auf Seiten von Zugzwang an sich reißen würde. Denn diese absurde Eröffnungsvariante wird in den Reihen von Zugzwang bekanntlich ausschließlich von Rainer gespielt und mehr oder weniger beherrscht. Guido Kaspret zeigte sich aufs Erste wenig beeindruckt und antwortete völlig theoriekonform (Aussage Gernot) mit d5 und nach Lb2 sogar mit Dd6. Die weitere Zugabfolge wollen wir zum Schutze des Verlierers hier unerwähnt lassen. Für Interessierte ist sie aber im Herrgottswinkel der Gaststätte Struckl nachzulesen, wo sie Rainer zum Ruhme Zugzwangs urbi et orbi veröffentlicht hat. Jedenfalls entwickelte sich eine wilde Partie, in der sich Herr Kaspret als heimtückischer Fallensteller erwies, Zugzwang, angeführt in diesem Falle ungewohnterweise durch Rainer, aber als umsichtiges Wild. Am Höhepunkt des Hickhacks konnte sich freilich niemand mehr an die vereinbarten Regeln halten. Es wurde laut gerufen, aus den hinteren Reihen, die von den Postfüchsen Kornprat und Starc besetzt waren, gierten die Hände aufs Brett, Ebenberger schrie wie am Spieß und Guido Kaspret war mit verzagtem Jammern lautstark zu vernehmen, obgleich er bis zum Schluss an seinen Erfolg zu glauben schien. Ja, er donnerte sogar ATS 40,-- auf den Tisch und wollte damit den Einsatz um den Sieg zur Steigerung der Dramatik nochmals erhöhen, was von Zugzwang eingedenk des vereinbarten Reglements (und wohl auch ein wenig aus Furcht vor dem Fallensteller) freilich abgelehnt wurde.

So nahm das Spiel seinen weiteren Verlauf. Rainer behielt bis zuletzt - ganz im Gegensatz zu seinem Konkurrenten - Nerven und König. Die Sensation war perfekt. Guido Kaspret musste sich sogar das Matt zeigen lassen, ein Anblick, der ihn sogleich zum Tresen und von dort mit einem gut gefüllten Schnapsbecher gebückt wieder zurück an die Stätte des Desasters trieb. Es folgten Analysen, die windige Remisvarianten aufdeckten, G.K. griff in seiner Verzweiflung sogar noch weit ins Mittelspiel zurück und wollte zum Erstaunen der aufmerksam Umsitzenden dort gar noch einen Gewinnzug gesehen haben. Alleine die Partie war zu Ende gebracht, am Ergebnis gab es nichts mehr zu rütteln. Der Besiegte musste sein Bier selbst berappen und, bei Gott, es war wohl nicht das erste dieses denkwürdigen Abends, den der elegisch anmutende - um nicht zu sagen elendigliche - Herr Kaspret nach leisem Abgang an anderem Orte ausklingen ließ.

Zurück im Struckl blieben ein unangetasteter Fonds für moralisch angeschlagene Schachspieler und zwei gänzlich verdatterte Zugzwängler, die ihre Leistung nicht fassen konnten und das Erlebte noch bis in die frühen Morgenstunden mit einigen Bieren und noch mehr Blitzpartien verarbeiteten. Zu guter Letzt begab man sich "ermattet" aber zufrieden auf den Nachhauseweg, nicht ohne vorher das Fahrrad von Rainer zu zerstören, was angesichts der Grundglücklichkeit aber keinerlei Missstimmung aufkommen ließ.

Und die Moral von der Geschichte:

PS: Und wer's nicht glaubt, dem sei's gesagt: alles ist wahr! PPS: Gelogen ist nur die Existenz des Zugzwang-Fonds für moralisch angeschlagene Schachspieler. Wo kämen wir denn da hin?!?

Johann Christian Günther